Willkommen zurück in der Normalität! Wir heißen Sie willkommen, nach drei Jahren Corona, Covid, hunderten Masken, zahlreichen Entbehrungen und alleingelassen mit vermutlich massenhaft sozialgestörten Kindern. Sie dürfen jetzt wieder ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen. Natürlich nur, wenn der noch da ist. Sie schaffen das schon, zurück in der Normalität.
Zurück in der Normalität, was ist das eigentlich?
Bitte versteht mich nicht falsch. Ich bin kein Nörgler, Leugner, Verschwörungstheoretiker. Und es gibt da auch kein “aber”. Ich frage mich einfach, was eigentlich noch normal ist. Mit einer gewissen Euphorie-Stimmung 2019 sind wir jeden Morgen aufgestanden. Viel ist davon nicht übrig, zumindest im Durchschnitt. Fragt man in seinem Umfeld, wer mitkommt zum Bäume-Ausreißen, ist die Begeisterung eher mau.
Unsere beiden Kids sind inzwischen richtig groß geworden. Über die Pandemie hinweg haben wir die letzte Windel in den Müll geschmissen, die Grundschule das erste Mal fast komplett gerockt, sämtliche Lockdowns der Kindergärten überwunden und den Wissenslücken durch ausfallende Schule die Stirn geboten. Nebenbei haben wir gearbeitet, den Job gewechselt, sind ein wenig auf der Karriereleiter gestiegen.
Das Ewige: Was wäre gewesen wenn?
Die große Frage, die keiner beantworten kann: Wie wäre es gewesen, wenn wir 2019 und 2020 kein Virus übers Land hätten fegen sehen müssen? Zurück in der Normalität ist eben eine Normalität, die drei Jahre irgendwo anders abgebogen ist. Wir leben in der einen Version unseres Zeitstrahls, dessen Alternative ohne Virus wir nie erleben dürfen.
Warum interessiert mich das überhaupt? Warum ist die das “Zurück in der Normalität” für mich hier an dieser Stelle so wichtig? Weil wir eben nicht mehr wissen, was normal ist. Ist es ab sofort und bleibend normal, zuhause zu arbeiten? Ist es normal, dass die KITA ständig verkürzte Öffnungszeiten hat, und ist es wieder normal, dass Kinder und Karriere nicht vereinbar sind? Ist normal ein Rückschritt, ein Fortschritt? Ist das neue Normal, dass die zunehmende Unverbindlichkeit die schon vor Covid massiv Einzug in die Gesellschaft nahm, nicht mehr mit Unzuverlässigkeit gleichgesetzt wird?
Kindererziehung im Ungewissen Normalen
Kindererziehung ist immer eine Verantwortung im Ungewissen. Wenn aber das eigene Wertegerüst und gesellschaftliche Normen ins Wanken geraten, wird es zur Glückssache. Ist meine Erziehung eigentlich noch zeitgemäß, jetzt, zurück in der Normalität der Zwanzigerjahre? Diese Frage spaltet die Elternschaft. Erstaunlicherweise versucht ein großer Teil nach meiner Beobachtung nicht etwa, Antworten im Sumpf des Neuen zu finden, sondern zieht sich auf alte Normen zurück, die schon vor der Pandemie wie aus der Zeit gefallen scheinen. Mütter bleiben zu Hause und kümmern sich ausschließlich um die Kindererziehung. Maximal eine Teilzeitbeschäftigung ist noch drin, und die auch nur, wenn man sich zusammen mit seinem Partner darauf einigt. Umgekehrt – Mann macht Teilzeit, Frau Vollzeit – habe ich das im unmittelbaren Umfeld nicht ein einziges Mal zu beobachten. Zurück in der Normalität scheint für eine Bevölkerungsgruppe, besonders mit Kindern, zurück in der Normalität des letzten Jahrhunderts zu bedeuten.
Die andere Gruppe, die sich auf bereits abgelegt geglaubte gesellschaftliche Normen zurückfällt, wird hingegen jäh in die Wirklichkeit gerissen. Denn aus guten Ideen sind noch lange keine tragfähigen Konzepte geworden. Auch HomeOffice verlangt eine stabile Kinderbetreuung in der Kita, denn HomeOffice heißt nicht “Kein Office”. Kein Wunder, dass auch Arbeitgeber:innen langsam zurückrudern und die Leute wieder “reinrufen”. Kontrolle ist besser als alles andere.
Willkommen, zurück in der Normalität. Es hätte so schön werden können. Noch ist nichts verloren, aber wir arbeiten als Gesellschaft stark darauf hin.
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